Durch eine befreundete koreanische Künstlerin und eine ihrer Lieblingsbands namens „Jambinai“ kam ich vor einigen Jahren in Kontakt mit der südkoreanischen Rockszene. Seitdem fahre ich jedes Jahr hin, um Bands zu sehen, Freunde zu treffen und neue Leute kennenzulernen. Aus diesem Grund fragen mich viele Bands nach der Möglichkeit, in Korea zu touren.
Also fragte ich meine Freunde Trash und Jeff von der Band „… Whatever that means“, wie es ist, in Südkorea in einer Punkrockband zu spielen und wie es mit dem Touren aussieht. Beide sind sehr aktiv in der Rockszene und touren regelmäßig in Asien und den USA.
Du spielst in einer koreanischen Punkrockband. Wie kann man sich die südkoreanische Rockszene vorstellen?
Die Szene hier ist großartig, aber sie ist klein. Es gibt in Korea eigentlich keine „Musikindustrie“ außer K-Pop. Das bedeutet also, dass so ziemlich jeder, der in irgendeiner Art von Rockband spielt, ein unabhängiger Künstler und Teil der Underground-Szene ist. Es gibt ein paar seltene Ausnahmen, aber im Großen und Ganzen sieht es so aus. Das Gute daran ist, dass großartige Bands seit Jahrzehnten lokale Szene-Shows spielen. Der Nachteil ist, dass die Bands nicht wirklich viel Platz zum Wachsen haben.
Wie politisch ist die Punkrock-Szene in Süd-Korea? Gegen was rebellieren südkoreanische Bands?
Die Szene hier ist nicht allzu offen politisch. Im Gegensatz zu einer klaren politischen Ideologie rebellieren die meisten Bands gegen die konservative konfuzianische Natur der koreanischen Gesellschaft. Die Ideen, dass es eine soziale Hierarchie gibt, die aufrechterhalten und respektiert werden muss, dass Frauen am Arbeitsplatz (oder außerhalb davon) nicht gleichwertig sind, dass man sein ganzes Leben aufgeben muss, um sich seinem Chef und seiner Karriere unterzuordnen…. das ist es, wogegen die Leute in der koreanischen Punk-Szene rebellieren.
In welchen Ländern wart Ihr bis jetzt mit Eurer Band unterwegs, und wie lange sind Eure durchschnittlichen Touren?
Wir sind in ganz Korea, in Malaysia, Singapur und entlang der Westküste der USA getourt. Unsere internationalen Touren gehen in der Regel ca. 2 Wochen.
Wie sieht es mit dem Touren in Süd-Korea aus? Wo können Rockbands auftreten?
Touren in Korea kann viel Spaß machen, aber wenn man kein international bekannter Act ist, macht man es definitiv nicht wegen des Geldes. Besonders in der Punk-Szene finden Shows fast zu 100% ausschließlich von Freitag bis Sonntag statt, und die meisten Shows finden in Seoul statt. Es gibt noch andere wirklich coole Auftrittsorte in anderen Städten wie Daegu, Busan, Gwangju, etc., aber auch da darf man keine großen Gagen erwarten.
Aber wenn eine Band ohnehin gerade in Asien tourt und ein paar wirklich lustige Shows für eine begeisterte lokale Szene spielen wollen, ist Korea dafür absolut der richtige Ort.
Ihr seid auch in den USA getourt. Was ist der größte Unterschied zwischen Touren in den USA und Südkorea?
Ich würde sagen, es sind zwei. Erstens kannst Du jeden Tag der Woche in den USA spielen. Ich weiß, dass das in vielen Ländern zutrifft, aber es ist ein großer Unterschied zu hier. Zum anderen ist es die Existenz einer echten Rockmusik-Industrie in den USA und die Tatsache, dass normale Menschen wissen, was Punkrock ist. In Korea spielen wir zu 99% für Leute, die Teil der überschaubaren Punkrock-Szene sind. In den USA hat man eher die Möglichkeit, vor einem größeren Publikum zu spielen, vor Leuten, die vielleicht keine Punks sind, aber gute Rockmusik genießen und bereit sind, deiner Band eine Chance zu geben. Das ist eine wirklich coole Sache.
Ich habe gehört, dass einige Bands Shows in Korea, Japan und China für eine Tournee kombinieren. Kommt das häufig vor?
Früher gab es eine jährliche Veranstaltung namens Korea-Japan Oi Fest (später umbenannt in Korea-Japan Punk Fest). In einem Jahr fand es in Korea statt, und japanische Bands kamen rüber. Im nächsten Jahr fand es dann in Japan statt, und die koreanischen Bands spielten dort. Leider ist das seit ein paar Jahren nicht mehr passiert. Es ist üblich für Bands aus den 3 Ländern, in diesen Ländern zu touren, aber es gibt heutzutage keine anderen Austausch-Events dieser Art, von denen ich weiß.
In Europa mieten Bands einen Tourbus und fahren mit Ihrer Backline von Stadt zu Stadt. Wie reist man als Band in Süd-Korea?
In Korea hat jeder Veranstaltungsort seine eigene Backline. Die Bands tauchen einfach mit Ihren Instrumenten auf, schließen sie an und spielen. Das ist ziemlich praktisch. Und da man mit so leichtem Gepäck reist, kann man ohne Probleme mit dem Bus oder Zug touren.
Ich habe gelesen, dass im April 2018 südkoreanische Pop-Bands in Nordkorea gespielt haben, das erste Mal seit 2007. Wie stehen die Chancen für südkoreanische Punkbands, jemals in Nordkorea zu spielen?
K-Pop ist die größte und sichtbarste Form der Propaganda in Südkorea. Die einzige Möglichkeit, wie Punkbands jemals in Nordkorea spielen können, ist, wenn die Diktatur dort oben endet und sie ins 21. Jahrhundert treten.
Und zu guter Letzt: Was sind Deine besten und schlechtesten Tour-Erinnerungen?
Einer meiner Lieblingsorte auf jeder US-Tour ist eine kleine Universitätsstadt namens Corvallis, Oregon. Wir spielen dort in einem kleinen Nebenraum eines lokalen Cafés namens Interzone Cafe. Normalerweise stopfen sie etwa 20-30 Menschen in diesen winzigen Raum, der dann wirklich vollgepackt ist. Aber die ganze Vorderwand ist ein Schaufenster in der Main Street, so dass immer tonnenweise Leute draußen stehenbleiben sich die Show angucken. Das ist wirklich cool. Ich liebe es, dort zu spielen.
Schlechte Erinnerungen…. wir hatten einen kompletten Reinfall auf unserer ersten US-Tour. Es war ausgemacht, in einer Sportbar zu spielen, wo regelmäßig Konzerte stattfinden. Wir sind abends angekommen, und es war keiner da. Es gab nirgendwo Ankündigungen zu unserer Show oder Tour. Wir fragten die Besitzerin, was los sei, und sie antwortete: „Uns ist aufgefallen, dass ihr an einem Dienstag kommt, und das ist unsere Open Mic Night, also könnt ihr einfach Open Mic spielen.“
Niemand wusste, dass eine Band auftritt, und wir wurden natürlich auch nicht bezahlt. Wir spielten nach einer lokalen Band, die aus Jungs in ihren 60ern und wirklich schlechten klassischen Rockcovern bestand. Um es noch schlimmer zu machen, saßen diese Kerle später an der Bar und verspotteten uns die ganze Zeit, während wir auf der Bühne standen. Also spielten wir ein 15 Minuten-Set und sind abgehauen. Ein Freund von uns konnte noch ein paar lokale Punks aufspüren, mit denen wir dann einfach in einer anderen Bar bis spät in die Nacht getrunken haben. Dieser Teil war in Ordnung. Haha.
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Author: Mary