Während wir eigentlich schon mit dem Wissen aufgewachsen sind, dass Auto-Abgase negative Folgen für Menschen und Umwelt haben können, scheinen erst die Folgen des Abgasskandals, auch bekannt als „Dieselgate“, radikale Konsequenzen zu haben. Es steht fest, dass dem Verkehr, wie wir ihn kennen, massive Veränderungen bevorstehen. Doch welche Auswirkungen wird dies auf das Touren in den nächsten Jahren haben?
Die meisten Tourbusse, die in Europa fahren, sind Diesel-Fahrzeuge, da diese vor allem bei den sehr hohen Laufleistungen als wesentlich robuster gelten im Vergleich zu Benzinern. Außerdem sind Diesel-Motoren generell sparsamer. In einigen Ländern wie Frankreich oder Deutschland wird Diesel darüber hinaus subventioniert, so dass Diesel deutlich günstiger ist als Benzin, was für tourende Bands einen großen Kosten-Unterschied bedeutet.
Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge in Europa
Im Moment werden so wenige Diesel-Fahrzeuge angemeldet wie noch nie. Der Abgasskandal gab den Anstoß für diese Entwicklung. Durch jahrelange Manipulationen verschiedener Autohersteller wurden gesetzliche Grenzwerte für Autoabgase umgangen. Nun liegt die Verantwortung nicht nur bei der Autoindustrie, sondern auch bei den Kommunen.
2017 sprach die Europäische Kommission eine letzte Warnung gegen verschiedenen Mitgliedsstaaten aus, da diese die Vorgaben für die Höhe der Luftqualität in Bezug auf gesundheitsschädliche Stickoxidemissionen nicht erfüllen konnten. Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und das Vereinigte Königreich wurden aufgefordert, Maßnahmen für die Verbesserung der Luftqualität einzuleiten.
Viele Europäische Großstädte sehen sich drohenden Strafen für die Nichteinhaltung dieser Standards gegenüber. Daraus resultierend werden die betroffenen Großstädte Fahrverbote von Diesel-Fahrzeugen einführen, welche für einen Großteil der Stickoxidemissionen verantwortlich sein sollen.
In Frankreich ist der Preis für Diesel bereits gestiegen. Paris plant ein komplettes Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge bis 2025. LKW und Busse mit einem Baujahr vor 1997 dürfen schon seit 2015 nicht mehr in die Innenstadt fahren, und seit 2016 dürfen auch ältere PKW tagsüber nicht mehr in die Umweltzonen.
In Deutschland werden wohl bald nur noch ein kleiner Teil der jetzt zugelassenen Diesel-Busse in bestimmte Innenstädte fahren dürfen. Das betrifft nicht nur die größten Städte wie Köln, München, Berlin, Hamburg, Düsseldorf oder Frankfurt, sondern auch eine ganze Reihe kleinerer Städte wie Stuttgart, Aachen etc.
Selbst neue Diesel-Fahrzeuge können unter die Fahrverbote fallen. In Europa legen sogenannte Euro-Normen die Grenzwerte für den Ausstoß von Luftschadstoffen für Kraftfahrzeuge fest.
Studien des ADAC haben gezeigt, dass ebenso Autos, die der bei Labortests „sauberen“ Euro 6 Norm entsprechen, unter realen Fahrbedingungen häufig deutlich über den Grenzwerten für Stickstoffemissionen liegen. Fahrzeuge mit Euro 6d-Norm sind danach momentan die einzigen, die sicher vor Fahrverboten sind.
In Hamburg gibt es bereits seit Mai 2018 die ersten Fahrverbote, allerdings nur für Teilabschnitte von zwei Straßen, der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße. Mehr als 20.000 Fahrzeuge aus Hamburg sind davon betroffen.
Ebenso gilt in Madrid ein generelles Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge, Barcelona verbannt Diesel zumindest temporär.
In London gibt es im Rahmen der Niedrigemissionszone (ULEZ) schon seit langem Restriktionen für ältere Fahrzeuge. Auch in über zehn anderen Städten in Großbritannien gibt es mittlerweile Umweltzonen.
Ebenso müssen sich beispielsweise Oslo, Stockholm und Athen mit dem Problem auseinandersetzen und planen Maßnahmen zur Reduzierung der Stickoxidemissionen.
Für im Ausland angemeldete Fahrzeuge wird in den besagten Städten ebenfalls keine Ausnahme gemacht. Wie es zum Beispiel in London schon lange der Fall ist, werden ausländische Fahrzeuge nach lokalen Emissionsklassen eingeteilt, und müssen eventuell tief in die Tasche greifen, um überhaupt in die Stadt fahren zu dürfen.
Diese Seite bietet einen Überblick über die momentan geltenden städtischen Zugangsbeschränkungen in ganz Europa: urbanaccessregulations.eu
Es wird interessant zu sehen, welche neuen Konzepte für saubereren Transport sich die Städte in den nächsten Jahren ausdenken werden. Themen wie kostenfreie öffentliche Verkehrsmittel, autofreie Innenstädte, die Umstellung auf Car Sharing, elektrische Autos sowie Fahrräder werden bereits diskutiert.
Die meisten Tourbusse fahren mit Diesel
Für die meisten Bands ist das Touren überhaupt nur mit bezahlbarem Kraftstoff mit sowohl sparsameren als auch robusteren Diesel-Bussen möglich, weshalb sich die gesamte Tour-Branche schon vor langer Zeit auf Diesel eingestellt hat. Dummerweise befinden sich in den „schmutzigsten“ Großstädten auch die meisten Clubs, in denen Künstler auftreten.
Selbst wenn in den betroffenen Städten zunächst noch über Ausnahmeregelungen für städtische Diesel-Fahrzeuge, Handwerksbetriebe, Taxen etc. nachgedacht wird, kommen Transporte von Künstlern und ihrem Equipment in den Diskussionen nicht vor.
Mit Bussen, die der Abgasnorm nicht entsprechen, können Bands dann eventuell nur noch mit einer Art Park + Ride System touren. Dann müsste der Tourbus außerhalb der Verbotszonen der betroffenen Städte geparkt und die Band inklusive Equipment mit Benzinern oder Elektrofahrzeugen abgeholt und zum Club gebracht werden. Es gibt solche Systeme vereinzelt schon für Nightliner, die aufgrund ihrer Größe nicht bei allen Clubs vorfahren können.
Es gibt einige Länder wie zum Beispiel Japan oder Korea, in denen auch kleinere Clubs ganze Backlines stellen. Dort ist zwar die Frage nach dem Transport des Equipments gelöst, aber dennoch müssen die Bandmitglieder weite Strecken zurücklegen. Zumindest wenn die Veranstaltungsorte in gut angebundenen Städten liegen, ist dann zumindest das Touren mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich.
Touren in europäischen Ländern wird wahrscheinlich generell erstmal teurer werden. Sollten die Diesel-Subventionen langfristig komplett wegfallen, wird Diesel ohnehin mindestens so viel kosten wie Benzin. Auch in Deutschland wird bereits darüber diskutiert, den Diesel nicht mehr zu subventionieren.
Vor allem aber müssen viele Tourbusvermieter ihre Fahrzeuge erneuern, wozu nicht alle finanziell in der Lage sein werden. Ohnehin ist dies mit sehr hohen Kosten verbunden, welche dann an die Kunden weitergegeben werden müssen.
Kraftstoff-Alternativen
Flüssiggas (LPG) könnte eine Alternative sein, aber die Umwandlung von Dieselfahrzeugen für LPG ist finanziell nicht sinnvoll, weshalb die meisten LPG-Autos Benziner sind. Mit der derzeitigen LPG- und Dieseltechnologie müssten Tourbus-Vermieter ihre Diesel-Busse durch Benzin-Äquivalente ersetzen.
In Deutschland wird ab 2019 die Energiesteuerermäßigung für Autogas reduziert. Ab diesem Jahr werden die Subventionen jedes Jahr um 20 Prozent gesenkt, bis sie vollständig auslaufen. Danach kostet LPG das gleiche wie herkömmliche Kraftstoffe.
Hersteller wie Renault, Iveco oder Mercedes-Benz stellen zwar schon Elektro-Nutzfahrzeuge her. Auch gibt bereits Handwerker, die auf Elektro-Transporter umgerüstet haben. Allerdings sind die Anschaffungskosten sehr hoch, und ohnehin funktioniert so etwas nur bei kürzeren Strecken. Es wird noch sehr lange dauern, bis es ein ausreichendes Streckennetz für Elektrofahrzeuge in Europa geben wird.
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Autor: Mary