Die Jungs von der Death-Metal-Band „Stillbirth“ aus Hagen haben sich selbst eine unglaubliche Tour quer durch Asien gebucht. Ich kenne sie als meine Tourbus-Kunden (wenn sie nicht gerade in Asien touren) und bin begeistert von dem Organisationstalent und der Abenteuerlust der Band. Ich wollte von Stillbirth-Sänger Lukas unbedingt genauer erfahren, wie sie es angestellt haben, so eine Wahnsinns-Tour zu planen und wie es dann gelaufen ist.
Eure Asien-Tour war ein voller Erfolg, habe ich gehört. In welchen Ländern habt Ihr wie viele Shows gespielt?
Wir haben auf dieser Tour insgesamt in elf verschiedenen Ländern gespielt. Fast jeden Tag ein anderes Land.
Angefangen haben wir in Deutschland auf dem NRW Deathfest in Wermelskirchen, und von da aus sind wir direkt zum Frankfurter Flughafen, um den Flieger nach Dubai zu erwischen. Das erste Datum war bereits sehr knapp, denn unser Flieger kam um 19:30 Uhr in Dubai an, und die Show hat um 20 Uhr begonnen. Dementsprechend war das Warten auf die Koffer und der Sicherheitscheck etwas stressig. Aber wir haben alles rechtzeitig hinbekommen.
Von Dubai aus sind wir nach Indien geflogen. Dort haben wir in Hyderabad, Mumbai und Delhi gespielt. Da die Städte ebenfalls ewig weit auseinander waren, sind wir von Stadt zu Stadt geflogen. Manchmal hat sich Schlafen gehen nicht mehr gelohnt, da die Shows gegen 3 Uhr morgens zu Ende waren und man schon um 5 am Flughafen sein musste, um den nächsten Flieger zu erwischen.
Anschließend ging es nach Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam und von da weiter ins Death-Metal-Mekka Jakarta in Indonesien. Nach dieser Show hatten wir 2 Day-Offs auf Bali. Und ohne die zwei Tage wären wir, glaube ich, gestorben.
Der nächste Flug ging von Delhi nach Kathmandu in Nepal. Die Veranstaltung fing schon um 15 Uhr an, und wir waren um 17 Uhr dran, da es sonst vielleicht Probleme mit der Polizei gegeben hätte. Was wir eigentlich gut fanden, weil wir so früh ins Bett konnten. Da haben wir aber die Rechnung ohne die nepalesischen Betten gemacht. Denn die waren härter als Beton. Also eine weitere Nacht ohne Schlaf.
Von Nepal aus haben wir uns auf den Weg nach Phnom Penh gemacht. Der Veranstalter dort war ein Deutscher, der versucht, eine Metal-Szene in Kambodscha aufzubauen.
Anschließend ging es nach Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam und von da weiter ins Death-Metal-Mekka Jakarta in Indonesien. Nach dieser Show hatten wir 2 Day-Offs auf Bali. Und ohne die zwei Tage wären wir, glaube ich, gestorben. Wir haben uns eine private Villa mit eigenem Pool gemietet. Bis dahin hatten wir maximal sechzehn Stunden Schlaf in neun Tagen. Bali hat uns das Leben gerettet.
Von dort aus sind wir auf die Philippinen, nach Manila. Weiter ging es nach Taipei in Taiwan und dann Tokyo, Japan. Der nächste Ort war Seoul, Süd-Korea und als letztes waren wir in Bangkok, Thailand.
Wie seid Ihr überhaupt auf die Idee gekommen, so eine ausgedehnte Tour zu machen?
Die Idee zu der Tour hatten wir zusammen mit unseren guten Freunden von der Band Gutslit aus Indien. Wir waren zweimal auf „Full-Europe-Tour“ mit den Jungs und wollten das gleiche nun auch in Asien machen. Wir hätten aber selbst nie gedacht, dass wir es wirklich durchziehen. Ein paar Städte und Shows, okay, aber eine „Full-Asia-Tour“ hat vorher noch niemand in dem Umfang gemacht.
Wie genau und wie lange habt Ihr das alles geplant – habt Ihr zum Beispiel erst die Shows und dann die Flüge gebucht oder umgekehrt?
Wir haben alles zusammen mit Gutslit geplant. Da Gutslit in Asien gute Kontakte hatte und wir uns auch schon einen Namen aufgebaut haben, war die Umsetzung nicht ganz so schwer wie erwartet. Jeder kannte in jedem Land zumindest einen Veranstalter, der helfen konnte.
Dazu muss man sagen, dass es in Asien nicht viele Veranstalter für Death Metal gibt, und somit ist die Promoter-Szene sehr überschaubar. Wir haben eine Route beschlossen und viel hin und her gewerkelt. Nachdem die ersten Shows bestätigt waren, haben wir die Flüge gebucht. Teilweise auch ohne zu wissen, ob wir eine Show bekommen. Im Endeffekt haben wir aber alle Daten so hinbekommen wie es geplant war.
Die gesamte Planung hat uns ca. ein Jahr Arbeit gekostet. Logistisch ist das nicht ganz so easy gewesen.
Ein großes Thema bei der Tourplanung ist ja immer der Instrumententransport. Oft gehen Instrumente verloren oder werden beschädigt. Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht?
Wir haben unsere Instrumente mitgenommen und einen großen Koffer voll mit Merch. In Indonesien haben wir dann nochmal Merch „nachgetankt“. Jeder hatte noch einen kleinen Handgepäcksrucksack für seine privaten Klamotten. Also waren wir ziemlich spartanisch unterwegs. Wir waren drei Wochen unterwegs und hatten Kleidung für vielleicht vier Tage dabei. Da musste man etwas haushalten, damit man nicht komplett stinkend am Flughafen ankommt.
Der Transport lief erstaunlicherweise reibungslos. Jede Airline hat die Koffer sicher ans Ziel gebracht, und wir hatten auch keine Beschädigungen an den Instrumenten. Das hat uns sehr gewundert, wenn man bedenkt, dass KLM unseren Merch-Koffer bei unserer Finnland Tour einmal auf dem Hinweg und dann nochmal auf dem Rückweg verloren hat.
Gab es Probleme mit den Visa, brauchtet Ihr zum Beispiel bestimmte Visa für die Einreise als Band beziehungsweise Arbeitsvisa, und inwieweit haben die Veranstalter dabei geholfen?
Da wir alle deutsche Staatsbürger sind, hatten wir so gut wie keine Probleme mit den Visa. Vor der Tour mussten wir nur ein Visum für Indien besorgen. Das hat pro Person ca. 120 Euro gekostet. In Nepal war der Einreiseprozess auch etwas komplizierter mit viel Hin und Her.
Indonesien war das einzige Land, wo wir ein Arbeitsvisum brauchten. Ich denke, wir hätten auch in anderen Ländern ein Arbeitsvisum gebraucht, aber die Kosten waren immer viel zu hoch, so haben wir uns dann als Touris durchgemogelt.
In Indonesien waren dann aber Grenzbeamte bei dem Gig. Die haben alles genau kontrolliert und auch erst da die Erlaubnis für die Show gegeben. Es hätte also sein können, dass alles abgelehnt worden wäre, obwohl wir schon in Jakarta waren.
Der einzige Veranstalter, der uns bei den Visa geholfen hat, war der aus Indonesien. Den Rest hat es nicht so wirklich gekümmert. Lag wohl auch daran, dass wir meistens nur Visa on Arrival brauchten. Unsere Tourkompadres Gutslit aus Indien hatten da schon mehr Probleme. Der Sänger und der Mercher von Gutslit haben zum Beispiel keine Visa für Taiwan und Japan bekommen. Da musste ich dann an den Vocals aushelfen. Hat geklappt. 🙂
Inwieweit hat sich die Szene in den einzelnen Ländern unterschieden, sahen Leute und Clubs im Prinzip überall so aus wie in der deutschen Metal-Szene?
Die Szene war eine komplett andere als in Deutschland und Europa. Die Leute waren sehr herzlich und man hat sich gefühlt, als wäre man ein Star. Nach jeder Show mussten wir gefühlt eine Million Fotos mit den Fans machen. Teilweise haben sich lange Schlangen gebildet, und es war Akkordarbeit, die ganzen Fotos zu machen. Manchmal haben sich die Leute drei oder viermal in der Schlange angestellt, um noch mehr Fotos mit uns machen zu können. Haben wir aber auch erst später gemerkt, haha. Wir sind auch alles große Jungs um die 1,90 m, also deutlich größer als die meisten Konzertbesucher dort, was einen lustigen Effekt auf den Fotos hatte.
Die Fans sind aber auf jeden Gig steil gegangen. Wenn man denen zugerufen hat „and now I wanna see a circle pit“, dann wurde das auch direkt umgesetzt. Ein Traum für jede Band.
Welche Auftritte und Orte gefielen Euch am besten?
Die besten Auftritte waren die Shows in Indien (allesamt) und Indonesien. In Mumbai hatten wir sogar beim letzten Song eine Doppel-Wall-Of-Death. Die Leute haben die Bühne gestürmt, um mit uns zusammen abzugehen, und dann haben wir eine Wall-Of-Death mitten in einem Song angestimmt. Die Fans unten vor der Bühne und die auf der Bühne sind dann auf Kommando gleichzeitig los und haben alles zerstört. Das war sehr geil.
Ich könnte eine Million Geschichten von dem ganzen Trip und jeder Stadt erzählen. Wir haben extrem viel erlebt, was niemand von uns missen möchte, auch wenn der Trip an unsere Grenzen ging.
Erzählst Du mir ein Anekdötchen?
Wir saßen zum Beispiel in Nepal in einem Restaurant, und der Chef hat gefragt, wer wir sind. Dann hat er unsere Musik über die Anlage laufen lassen, auf volle Pulle, haha. Alle anderen Gäste haben für eine halbe Stunde Death Metal ertragen müssen.
Das nennt man „den Bildungshorizont erweitern“, glaube ich. In einigen Ländern, in denen Ihr getourt seid, ist die Armutsquote besonders hoch. Habt Ihr davon etwas mitbekommen, obwohl die Konzertgänger ja wahrscheinlich eher zum gut situierten Teil der Bevölkerung gehören?
Wir haben einiges von der Armut gesehen, und die Konzertgänger kamen aus allen Schichten. Manche Eintrittspreise waren aber auch so günstig, dass möglichst viele es sich leisten konnten. Nur Japan und Süd-Korea waren aus unserer Sicht extrem teuer. Da lagen die Ticketpreise zwischen 35 und 45 Euro. Und das bei nur fünf Bands, und wir waren der Headliner. Fand ich schon ziemlich heftig. Aber schien in den Ländern wohl Normalität zu sein.
Alle Leute, egal ob Fans oder Normalos, waren super freundlich und zuvorkommend. Selten so viel Wärme und Herzlichkeit erlebt.
Habt Ihr überhaupt Gagen oder Aufwandsentschädigungen bekommen, und was hat Euch der Spaß am Ende gekostet?
Die Bezahlung war für uns erstmal kein Problem. Wir wussten, dass wir draufzahlen werden, und haben uns auch darauf eingestellt. Pro Abend gab es zwischen 100 – 300 Dollar. Was teilweise nicht einmal die Flugkosten gedeckt hat.
Mit Merch konnten wir noch etwas dazu verdienen, aber da mussten wir die Preise stark an die Länder anpassen. Während man in Indonesien umgerechnet ca. 6 Euro für ein Shirt bekommen hat, waren es in Süd-Korea ca. 25 Euro. Aber das Positive war, dass wir jeden Abend Catering und einen Platz zum Schlafen hatten. Versuch das mal in UK oder den USA zu bekommen. Die lachen Dich nur aus. Insgesamt haben wir pro Person ca. 1500 Euro drauf gelegt. Die Gesamtkosten beliefen sich auf ca. 13.000 Euro. Vielleicht auch noch etwas mehr.
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Was würdet Ihr beim nächsten Mal anders machen?
Da wir die Erfahrung mit der Full-Asia-Tour schon gemacht haben, würden wir beim nächsten Mal weniger Länder ansteuern und dafür mehr Städte pro Land. Wir waren meistens nur für einen Tag in einem Land und sind dann direkt weitergeflogen. Man braucht definitiv alle zwei oder drei Tage einen Day-Off, um sich zu regenerieren. Außer, man bleibt in einem Land, wo man dann auch mal mit dem Auto zum nächsten Gig fahren kann. Fliegen schlaucht extrem und jeden Tag Zeitverschiebung tut dem Körper auch nicht so gut, haha.
Und welchen Teil der Welt habt Ihr Euch als nächstes vorgenommen?
Unser nächstes großes Ziel ist die „Full-South-America-Tour“. Wir fangen langsam mit der Planung dafür an. Wenn alles gut geht, touren wir 2020 in Mexiko, Kolumbien, Peru, Chile, Argentinien, Brasilien, Uruguay etc.
Südafrika haben wir auch bereits in der Planung für 2021, und Australien und Kanada stehen auch noch auf der Liste. Wenn wir das alles durchhaben, dann gehen wir die Sache etwas relaxter an und versuchen solche Touren nur noch zu machen, wenn man nicht mehr draufzahlen muss. Bis dahin heißt es noch Ackern, haha.
Ich wünsche Euch mächtig viel Spaß bei Euren zukünftigen Touren, auch wenn mir schon beim Zuhören ganz schwindlig wird. Es würde mich auch nicht überraschen, wenn ich in zehn Jahren von der Stillbirth-Outer-Space-Tour höre. Hast Du noch ein Schlusswort für die Leser?
Danke vielmals für das Interview und danke für den Support. Über diese Tour könnte man einen stundenlangen Podcast machen. Wenn Ihr als Band die Möglichkeit habt, so eine Tour zu machen, dann macht sie. Die Mühen sind es wert, vor allem für die Erfahrung.
Weiterlesen → Touring in South-Korea?
Autor: Mary
2 Comments
Ja, und das Problem war, dass man meistens keinen Flug für das übernächste Land bekommen hat, weil die Maschinen da ziemlich ausgelastet waren. Am ersten Tag in Dubai haben wir uns so abgeschossen, dass wir am nächsten Morgen fast den Flug vepasst hätten, haha.
Wow, Respekt!!! Hätte ich auch mal Bock drauf. Das war ganz schönes Risiko. Ein Flugausfall und alles wäre zusammengebrochen.